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Walter Feilchenfeldt (Partner and managing director of the firm of Paul Cassirer in Berlin in the 1920s)
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| Das Erbe meines Großvaters (The inheritance of my grandfather ) by Grandaughter Christina Felichenfeldt
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| „Raubkunst“ oder „Fluchtkunst”: Ein persönlicher Kommentar zur Restitution von Kirchners „Berliner Straßenszene“ aus dem Brücke-Museum / Von Christina Feilchenfeldt
In seiner 1998 erschienenen Publikation „Raubkunst – Kunstraub. Die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkrieges” unterscheidet Thomas Buomberger zwischen „Raubkunst“ und „Fluchtkunst”: Während es sich bei „Raubkunst“ um in Deutschland zurückgelassenen, von den Nazis enteigneten Besitz ausgewanderter Juden handelt, brachten jüdische Emigranten die sogenannte „Fluchtkunst” selbst ins Ausland, um dort von den Verkäufen zu leben. In Übereinstimmung mit den Statuten der im selben Jahr abgehaltenen Washingtoner Konferenz ist „Raubkunst“ in jedem Fall zu restituieren, „Fluchtkunst” hingegen nicht.
Die Einzigartigkeit des Hitler-Regimes kann in ihrer Ungeheuerlichkeit nicht oft genug betont werden. Die Grausamkeit und Brutalität, mit der über sechs Millionen Juden systematisch ausgelöscht wurden, macht die Diskussion über enteignete Kunstwerke umso schwieriger, als sie in keinerlei Relation zu dem Leid steht, das während der Nazi-Diktatur geschaffen wurde. Häufig genug waren es die assimilierten Juden – wie im Falle der Familie des Schuhfabrikanten Alfred Hess oder meiner Großeltern –, die sich erst nach der Einführung von Hitlers Rassegesetzen mit ihrer jüdischen Herkunft konfrontiert sahen. Der Verlust der deutschen Heimat war für viele unverwindbar, so auch für meine Großeltern, die im Schweizer Exil ihre Berliner Wurzeln nie vergaßen. Andere hatten weniger Glück und auch weniger Besitz, der ihnen einen Aufenthalt im sicheren Ausland hätte erkaufen können.
Der Voraussicht meines Großvaters ist es nicht nur zu verdanken, dass für ihn und seine Angehörigen die Emigration gegen Bezahlung von „Reichsfluchtsteuer“ und „Juden-Abgabe” glückte, er war auch maßgeblich an der Ausreise weiterer verfolgter Juden beteiligt, indem er ihre Kunstwerke vor dem Zugriff der Nationalsozialisten bewahrte. Nachdem er 1933 als Mitinhaber der Kunsthandlung Paul Cassirer, Berlin, mit Filiale in Amsterdam, seinen Wohnsitz nach Holland verlegt hatte, gelang es ihm, die wertvollsten Bilder des Berliner Geschäftslagers sowie die Kunstgegenstände der von ihm betreuten Kunden ins Ausland zu versenden. Als Vorwand dienten ihm Ausstellungen in Österreich, Holland und der Schweiz, die er mit diesen Kunstwerken bestückte. Zu seinen Kunden gehörten jüdische Sammler wie Estella und Leonie Katzenellenbogen, Max Liebermann und Samuel Fischer in Berlin, aber auch Max Silberberg und Alexander Lewin in Breslau sowie der Schriftsteller Erich Maria Remarque.
Die so außer Landes geschafften Werke wurden zur Existenzgrundlage ihrer Besitzer in der Emigration und sicherten ihnen ihre materielle Zukunft. Ebenso wie Thekla Hess, die ihre Sammlung 1934 in die Schweiz schickte, lebten auch meine Großeltern und andere Emigranten von Verkäufen der auf diese Weise geretteten Kunstwerke. Im Sinne der Washingtoner Konferenz sind diese Werke somit als „Fluchtkunst“ einzustufen und nicht zu restituieren.
Dies müsste auch für Kirchners „Straßenszene”, ehemals Sammlung Hess, gelten, die, wie berichtet, jüngst an die Erbin Anita Halpin restituiert wurde. Die Firma des Erfurter Schuhfabrikanten Alfred Hess hatte schon 1929 Insolvenz beantragt, und nach dem Tod ihres Mannes 1931 sah sich die Witwe Thekla Hess genötigt, Werke ihrer Sammlung sukzessive zu veräußern, um von dem Erlös zu leben. So kam es auch zum Verkauf des Kirchner-Gemäldes an den Sammler Carl Hagemann, der in engem Kontakt mit dem Künstler stand und sehr genau wusste, dass er ein Meisterwerk erwarb. Er zahlte dafür auch einen angemessenen Preis, und zwar einen höheren, als Thekla Hess ihn in der Schweiz hätte erzielen können: War das Gemälde 1934 im Katalog einer Zürcher Verkaufsausstellung mit 2500 RM angesetzt, so erwarb es Hagemann entweder 1936 oder ein Jahr später für 3000 RM. Auch gibt es keinen Grund, die Ausbezahlung des Geldes an Thekla Hess zu bezweifeln. Aus den Unterlagen, die mir von Peter Romilly, einem Vertrauten der Familie, im Rahmen der Vorbereitungen zu einem Artikel über die Sammlung zugänglich gemacht wurden, geht an keiner Stelle hervor, dass dieser Kaufpreis nicht gezahlt wurde. In anderen Fällen nennt Hans Hess, der Vater der Antragstellerin, in der Korrespondenz mit seinem Anwalt sehr wohl die Namen von Käufern und Händlern, die Werke aus der Sammlung seiner Eltern veruntreut hatten. Eine offene Rechnung im Falle des Kirchner-Gemäldes hätte Hess gegenüber seinem Anwalt während des Wiedergutmachungsverfahrens Ende der fünfziger Jahre sicherlich erwähnt. Zu diesem Zeitpunkt war der Standort des Bildes den Erben bereits bekannt.
Im Übrigen hat auch Anita Halpin im Vorfeld der Publikation über die Sammlung ihres Großvaters keinerlei materielle Interessen erkennen lassen oder den Wunsch geäußert, das Bild zurückzuerhalten. Das lässt die Angelegenheit in neuem Licht erscheinen. Bekanntlich wurde Frau Halpin eine Vergleichssumme angeboten, die es ermöglichen sollte, das Bild an seinem Standort im Berliner Brücke-Museum zu belassen. Dass Frau Halpin dazu nicht bereit war, drängt die Vermutung auf, dass die Anwälte, die in Restitutionsfragen meist ein Erfolgshonorar erhalten, die entscheidende Rolle spielten. Sollte hier eine Praxis der „moralischen“ Wiedergutmachung etabliert werden, steht den deutschen Museen eine harte Zeit bevor. Allein im Berliner Brücke-Museum sind zwei weitere Gemälde mit einem Restitutionsantrag belegt. Dennoch muss in jedem Fall individuell geprüft und recherchiert werden, ob es sich um „Raub-” oder „Fluchtkunst“ handelt. Im Falle des Kirchner-Bildes ist die Antwort wohl eindeutig.
Die Frage nach einer „moralischen” Wiedergutmachung bleibt insgesamt höchst problematisch. Das Leben von Millionen europäischer Juden wäre ohne das blutige Regime der Nationalsozialisten vollkommen anders verlaufen, sie hätten gelebt, statt in Konzentrationslagern gefoltert und ermordet zu werden – all dies ist eine Tatsache, die an dieser Stelle nicht zur Diskussion stehen kann. Umso zynischer erscheint es unter diesem Gesichtspunkt, dass spezialisierte Anwaltskanzleien im In- und Ausland ihre Dienste der Enkelgeneration der Geschädigten gegen Erfolgshonorar andienen. Auch meinem Vater wurde von einem Berliner Anwalt das Angebot gemacht, alle vom Amsterdamer Geschäftsführer der Cassirer-Filiale veräußerten Werke zwischen 1939 und 1945 gegen 50 Prozent des Erlöses zu restituieren. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass mein Vater dies vehement ablehnte.
Bereits im Jahre 1948 thematisierte mein Großvater in einem Brief an den Central Collecting Point in München, in dem er nach Kunstgegenständen aus seinem Besitz forschte, die während des Krieges bei der Berliner Spedition Haberling eingelagert und nach Kriegsende nicht mehr auffindbar waren, die Schwierigkeiten bei der Rückgabe von „abhandengekommenen Sachen“. Heute, fast sechzig Jahre später muss mit dieser Thematik umso sorgfältiger und seriöser umgegangen werden, nicht zuletzt aus Achtung vor den direkt Betroffenen, für die ihre Kunstwerke die Rettung ins Leben bedeuteten.
Die Autorin ist Enkelin des Kunsthändlers Walter Feilchenfeldt und lebt als Kunsthistorikerin in Berlin.
From Der Tagesspiegel online 23.09.2006; viewed 14 Jan 2007 http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/23.09.2006/2774165.asp
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| Google English ‘Translation’
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| The inheritance of my grandfather „Robbery art “or „escape art”: A personal comment on the restitution of Kirchners „citizen of Berlin road scene “from the bridge museum/of Christina Feilchenfeldt In its 1998 published publication „robbery art - art robbery. Switzerland and the trade with stolen cultural properties at present the Second World War” differentiate Thomas Buomberger between „robbery art “and „escape art”: While Nazis, brought themselves it with „robbery art “over in Germany left, of which expropriated possession of emigrated Jews acts Jewish emigrants the so-called „escape art” even abroad, in order to live there from the sales to. In agreement with the statutes in the same year of the held Washington conference „robbery art is however not to be restituted “in each case, „escape art”. The singularness of the Hitler regime cannot be stressed in their enormousness often enough. The cruelty and brutality, with which over six million Jew were systematically extinguished, make the discussion all the more difficult over expropriated works of art, as it stands in no relation to the wrong, which was created during the Nazi dictatorship. Frequently enough were it the assimilated Jews - as in case of the family of the shoe manufacturer Alfred Hess or my grandparents -, who saw themselves confronted with their Jewish origin only after the introduction by Hitler’s race laws. The loss of the German homeland was for many unverwindbar, so also for my grandparents, who never forgot their citizens of Berlin roots in Swiss exile. Others had fewer luck and also less possession, which could have bought a stay abroad safe for them. It is not only to be owed to the foresight of my grandfather that for it and its members the emigration glückte against payment of „realm-escape-expensively “and „Jew delivery”, it was also considerably involved in the departure of further pursued Jews, by protecting its works of art the access of the national socialists. After it had shifted 1933 as a partner of the art action Paul Cassirer, Berlin, with branch in Amsterdam, its domicile to Holland, it succeeded to it, the most valuable pictures citizens of Berlin of the business camp to dispatch as well as the art articles of the customers cared for by it abroad. When it exhibitions in Austria, Holland and Switzerland, which it equipped with these works of art, served pretext. To its customers Jewish collecting tanks belonged such as Estella and Leonie cat elbow, max dear man and Samuel Fischer in Berlin, in addition, max silver mountain and Alexander Lewin in Breslau as well as the writer Erich Maria Remarque. So abroad the created works became the basis of existence of their owners in the emigration and secured for them their material future. Just like Thekla Hess, which sent their collection 1934 into Switzerland, lived also my grandparents and other emigrants of sales of in this way saved works of art. In the sense that Washington conference are these works thus as „escape art “to be classified and not restituted. This would have also for Kirchners „road scene”, formerly collection Hess, applies, those, as reports, recently to the heiress Anita Halpin was restituted. The company of the Erfurter shoe manufacturer Alfred Hess had already requested 1929 insolvency, and after the death of their man 1931 the widow Thekla Hess saw herself forced to sell works of their collection gradually in order to live from proceeds to. Thus it came also to the sales of the Kirchner painting to the collecting tank Carl Hagemann, which knew be located in close contact with the artist and very exactly that he acquired a masterpiece. It paid for it also an appropriate price, a higher, than Thekla Hess could have obtained it in Switzerland: If the painting was set 1934 in the catalog for inhabitants of zurich of a sales exhibition with 2500 RM, then it acquired Hagemann either 1936 or one year later for 3000 RM. Also there is no reason to doubt paying off the money at Thekla Hess. From the documents, which trusted me from Peter Romilly, one the family, in the context of the preparations an article over the collection were made accessible, it follows nowhere that this purchase price was not paid. In other cases Hans Hess, the father of the Antragstellerin, in the correspondence with his lawyer the names of buyers and dealers, very probably calls who had defrauded works from the collection of its parents. An outstanding account in case of the Kirchner painting would have surely mentioned Hess opposite its lawyer during the compensation procedure end of the fifties. At this time the location of the picture inheriting was already well-known. In all other respects also Anita Halpin in the apron of the publication did not express the desire over the collection of their grandfather any material interests to show or to get the picture back. That lets the affair in new light appear. As well known to leave Mrs. Halpin a comparison sum offered, which should make it possible, the picture at its location in the citizen of Berlin bridge museum. The fact that Mrs. Halpin was not ready for it forces the assumption upon that the lawyers, who receive a contingent fee in restitution questions usually, which played crucial role. Here if a practice „of the moral “compensation should be established, a hard time is approaching for the German museums. However in the citizen of Berlin two further paintings with a restitution request are occupied bridge museum. Nevertheless it must be individually examined and investigated in each case whether it acts over „robbery” or „escape art “. In case of the Kirchner picture the answer is probably clear. The question about one „moral” compensation remains altogether most problematic. The life of millions of European Jews would be without the bloody regime of the national socialists perfectly differently to run, it would have be lived, instead of in concentration camps tortured and murdered - all this is a fact, which cannot stand here to the discussion. It appears the more zynischer under this criterion that specialized law offices andienen at home and abroad their services of the grandchild generation of the damages against contingent fee. Also by a citizen of Berlin lawyer the offer was made for my father, all of the Amsterdamer managing director of the Cassirer branch sold works between 1939 and 1945 against 50 per cent of proceeds to restitute. It is here mentioned that my father rejected this vehement. Already in the year 1948 my grandfather in a letter to the cent ral brought up for discussion Collecting POINT in Munich, in which he researched after art articles from his possession, which were discoverable during the war with the citizens of Berlin forwarding business Haberling stored and after end of war no longer, the difficulties with the return of „lost things “. Today, nearly sixty years later the rescue must be gone around in the life meant with this topic the more carefully and more respectablly, not least from attention for directly the concerning, for its works of art. The authoress is granddaughter of the art dealer walter Feilchenfeldt and lives as Kunsthistorikerin in Berlin.
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